Die Auseinandersetzung um die Chatkontrolle in der EU geht weiter. Eigentlich verbieten europäische und deutsche Gesetze, dass Diensteanbieter die Kommunikation ihrer Nutzer:innen überwachen. Trotzdem führen einige Tech-Konzerne eine freiwillige Chatkontrolle durch. Das erlaubt eine vorübergehende Ausnahmeregelung. Im Februar haben die EU-Gesetzgeber beschlossen, diese temporäre Ausnahme bis April 2026 zu verlängern. Auch die Bundesregierung stimmte dafür.
Jetzt wenden sich die EU-Institutionen wieder der verpflichtenden Chatkontrolle zu. Die EU-Kommission hat vor fast zwei Jahren eine entsprechende EU-Verordnung vorgeschlagen. Das Parlament beschloss im November, die Chatkontrolle auf unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu beschränken. Die EU-Staaten haben bisher noch keine gemeinsame Position. Das Gesetz wird daher nicht mehr vor der EU-Wahl im Juni fertig.
Das Gesetzgebungsverfahren geht trotzdem weiter. Das Gesetz kann auch in der nächsten Wahlperiode beschlossen werden. Im Rat arbeiten die EU-Staaten weiter daran, sich zu einigen. Die belgische Ratspräsidentschaft will das bis Juni erreichen. Dazu hat sie vor zwei Wochen ein neues Konzept vorgeschlagen.
Diesen Vorschlag haben die Staaten am Freitag in der Arbeitsgruppe Strafverfolgung und am Montag im Rat für Justiz und Inneres diskutiert. Wir veröffentlichen ein weiteres Mal die eingestuften Protokolle der Sitzungen, dazu die Weisung für die deutsche Delegation.
Chatkontrolle „zielgerichteter“
Mit dem Gesetzentwurf will die EU-Kommission Internetdienste verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer:innen zu durchsuchen und strafbare Kinderpornografie an ein EU-Zentrum zu schicken. Der Juristische Dienst der EU-Staaten kritisiert den Plan: Private Daten Unverdächtiger massenhaft und anlasslos mitzulesen ist illegal und wird vor Gericht scheitern. Manche EU-Staaten lehnen eine solche unverhältnismäßige Chatkontrolle ab, andere Staaten fordern genau das.
Die belgische Ratspräsidentschaft versucht jetzt eine Art Kompromiss. Die Chatkontrolle soll „gezielter“ werden. Nach der Verordnung sollen Internetdienste das Risiko bewerten, ob ihre Dienste von Kriminellen verwendet werden. Belgien will diese Risikobewertung genauer definieren und klare Parameter entwickeln. Damit soll deutlich werden, ob ein Dienst mit hohem, mittlerem, geringem oder vernachlässigbarem Risiko auch für Straftaten genutzt wird.
Die meisten EU-Staaten unterstützen diesen Vorschlag. Gegen klare Vorgaben ist fast niemand. Nur Polen und Schweden fürchten eventuelle Belastungen und Aufwand, vor allem für kleinere Anbieter. Aber richtigen Widerspruch gab es nicht. Belgien wird diesen Vorschlag nun mitnehmen und ausarbeiten.
Am grundsätzlichen Problem der Chatkontrolle ändert das jedoch nichts. Viele Internetdienste kennen ihre Nutzer:innen nicht. Einige Dienste wie verschlüsselte Messenger oder Cloud-Speicher kennen auch die Inhalte ihrer Nutzer:innen nicht. Mit dem neuen Gesetz dürfte das als hohes Risiko für Straftaten gelten und diese Anbieter deshalb zur Chatkontrolle verpflichtet werden.
Schrödingers Verschlüsselung
Eine weiterer Streitpunkt ist der Umgang mit verschlüsselten Inhalten. Die EU-Kommission und einige EU-Staaten wollen Anbieter verpflichten, auch verschlüsselte Inhalte ihrer Nutzer:innen zu durchsuchen. Andere Staaten und das EU-Parlament lehnen genau das ab. An diesem Streit ist schon die vorherige Ratspräsidentschaft gescheitert.
Belgien versucht jetzt die Quadratur des Kreises. Einerseits sollen Anbieter mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zur Chatkontrolle verpflichtet werden können. Andererseits können sie nicht verpflichtet werden, „Zugang zu Ende-zu-Ende-verschlüsselten Daten zu schaffen“, auch nicht mit Client-Side-Scanning. Angeblich kennt Belgien „andere vor- oder nachgelagerte Technologien, die angewendet werden könnten“, nennt diese aber auch auf Rückfrage nicht.
Elf Staaten, die eine Chatkontrolle ohnehin unterstützen, befürworten diesen Vorschlag. Spanien, Dänemark und Irland lehnen es ab, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auszunehmen. Portugal forderte, Client-Side-Scanning zu erlauben.
Deutschland lehnt den Vorschlag ab. Die Bundesregierung fordert, das „Scannen privater verschlüsselter Kommunikation“, die „Umgehung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“ und Client-Side-Scanning auszuschließen. Auch Frankreich lehnt eine Chatkontrolle verschlüsselter Inhalte weiter ab. Die anderen Staaten der Sperrminorität – Polen, Österreich, Estland und Slowenien – prüfen den Vorschlag noch.
Belgien schlussfolgerte anhand der Rückmeldungen zwar eine „breite Unterstützung“. Doch noch ist der Vorschlag nicht ausformuliert. Und noch haben die Staaten die zentrale Frage noch nicht klar beantwortet: Werden verschlüsselte Inhalte gescannt oder nicht?
Viele Probleme ungelöst
Der Juristische Dienst der EU-Staaten hatte den Vorschlag der EU-Kommission als unverhältnismäßig und rechtswidrig bezeichnet. Den belgischen Ansatz konnten die Jurist:innen noch nicht prüfen: „Bislang lägen nur Konzepte, aber kein konkreter Text vor.“ Stattdessen verwies der Juristische Dienst auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der kürzlich ebenfalls die massenhafte Überwachung verschlüsselter Kommunikation als rechtswidrig einstufte.
Zentrales Problem ist weiterhin die Frage, ob nur verdächtige Nutzer:innen überwacht werden oder alle. Das EU-Parlament fordert, die Chatkontrolle auf Personen oder Gruppen zu beschränken, die mit sexuellem Kindesmissbrauch in Verbindung stehen. Der Europäische Datenschutzausschuss kritisiert die Formulierungen des Parlaments als zu weitgehend. Die EU-Kommission und diverse Staaten fordern aber genau das: Die Kommunikation Unschuldiger massenhaft und anlasslos zu durchsuchen, um Straftaten zu finden.
Die Frage, nach welchen Inhalten gesucht wird, ist auch noch nicht geklärt. Die EU-Kommission will nicht nur nach bekannten Straftaten suchen, sondern auch nach unbekannten neuen Inhalten sowie nach Grooming. Einige Staaten wollen sich auf bekannte Straftaten beschränken, bei den anderen Inhalten ist die Fehlerrate zu hoch.
Die Bundesregierung hat noch zwei weitere Forderungen, ohne die sie dem Gesetz nicht zustimmen kann. Die Chatkontrolle darf nicht auf Audiokommunikation angewendet werden. Und Internetdienste müssen auch weiterhin „anonym oder jedenfalls pseudonym“ genutzt werden können, trotz Alterskontrolle.
Der aktuelle Vorstoß geht auf keines dieser Probleme ein.
Bald konkrete Textvorschläge
Die belgische Ratspräsidentschaft möchte jedoch möglichst bald eine Einigung erreichen. Die EU-Staaten sollen noch diese Woche sechs Fragen schriftlich beantworten und nächste Woche schriftliche Beiträge zu den Vorschlägen abliefern. Am 19. März tagt die Arbeitsgruppe wieder, „größtenteils“ zur Chatkontrolle.
Belgien kündigte an, bald „konkrete Textvorschläge“ vorzulegen. Jede Ratspräsidentschaft will möglichst viele Einigungen unter eigenem Vorsitz erreichen. Belgien fordert aber auch eine „solide“ Position der EU-Staaten. Irland ist da nicht mehr so wählerisch: „Alles sei besser als die Position des EU-Parlaments.“
Hier die Dokumente in Volltext:
- 2024-02-29: Weisung
- 2024-03-04: Arbeitsgruppe Strafverfolgung
- 2024-03-04: Rat für Justiz und Inneres
- Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
- Datum: 29. Februar 2024
- Von: BMI, Referat CI 6 – Grundsatz Cyberfähigkeiten der Sicherheitsbehörden
- An: Auswärtiges Amt – EU-Koordinierungsgruppe
- Kopie: AA, BMJ, BMDV, BMWK, BKAmt, BMFSFJ, BMF
- Betreff: 2931. AStV-2 am 28. Februar 2024
- Hier: TOP 44
Weisung
1. Ziel des Vorsitzes
Bericht der BEL-RP über Fortschritt der Verhandlungen.
2. Deutsches Verhandlungsziel/ Weisungstenor
Reaktiv (für den Fall einer Aussprache):
- Begrüßung des Trilogergebnisses. Maßgeblich ist, dass keine Regelungslücken entstehen. Befristete Verlängerung der Interims-VO ermöglicht weitere Verhandlungen der CSA-VO.
- Bekräftigung DEU-Forderung nach dauerhaften Rechtsgrundlagen im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern.
- Dank für Übersendung des jüngsten Diskussionspapiers zur CSA-VO der BEL-RP. Unsere Prüfung dazu dauert an.
3. Sachstand
Zur Interims-VO:
Im AStV am 21.02.24 wurde das Ergebnis der Trilogverhandlungen bestätigt. Abstimmungen im EP sind für Anfang März angekündigt. Nach kurzen Trilogverhandlungen im Januar und Februar einigten sich die Verhandlungsführer auf eine Verlängerung der Interims-VO bis zum 03.04.2026. Zur Harmonisierung des Berichtswesens der Provider sollen in einem Durchführungsrechtsakt Templates für die Datenübermittlung geeint werden.
KOM hatte ursprünglich Verlängerung um 2 Jahre, Rat um 3 Jahre und EP um 9 Monate gefordert.
Auf Bitten mehrerer MS hatte KOM am 30.11.2023 Vorschlag zur Verlängerung der temporären Ausnahme von der e-privacy-RL vorgelegt. Dieser wurde erforderlich, da eine Mehrheit zur CSA-VO lt. ESP-RP nicht vorlag und Abschluss des Dossiers bis zum Ende der aktuellen Legislatur des EP unwahrscheinlich wurde. Ausnahme in der Interims-VO erlaubt es Diensteanbietern, auf freiwilliger Basis CSA-Darstellungen aufzudecken. Sie ist bis 03.08. befristet. Aus KOM Sicht ist Verlängerung erforderlich, da Trilogverhandlungen zur CSA-VO mit dem EP erst nach den Europawahlen beginnen könnten. Durch die Verlängerung werden Regelungslücken verhindert.
DEU unterstützte Verlängerung der Interims-VO, auch um 3 Jahre. Maßgeblich, dass keine Regelungslücken entstehen. Befristete Verlängerung der Interims-VO ermöglicht weitere Verhandlungen der CSA-VO. Allerdings stellt Ausnahme in der Interims-VO keine eigenständige Rechtsgrundlage dar. Auch vor diesem Hintergrund sprach sich DEU für dauerhafte Rechtsgrundlagen im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern aus. Auch KOM und weitere MS betonten, Verlängerung der Interims-VO ersetze keinesfalls die CSA-VO.
Zur CSA-VO:
BEL-RP hat für JI-Rat am 04./05.03. allg. Ausrichtung angekündigt. Ende Februar übermittelte BEL-RP neues Diskussionspapier, das u.a. Konkretisierung der Risikobewertung von Diensten und darauf aufbauend abgestufte Verpflichtungen der Anbieter vorsieht. Prüfung des Vorschlags innerhalb der BReg dauert an.
ESP-RP legte im AStV am 20.12.2023 Fortschrittsbericht vor. Darin stellte ESP-RP fest, dass eine Mehrheit für die CSA-VO derzeit nicht vorliege. Zuvor waren (mehrfach angekündigte) Übermittlungen konkreter Texte für allg. Ausrichtung ausgeblieben. DEU hatte im AStV für Verschiebung des TOPs im JI-Rat votiert.
Am 13.04.2023 hat DEU erste grundsätzliche Stellungnahme vorgelegt und wesentliche Änderungen gefordert. DEU Forderungen u.a. zum Ausschluss verschlüsselter Kommunikation konnten allerdings bislang keine Mehrheit unter den MS finden. Am 27.09.2023 wurde DEU-Onepager zur Forderung nach einer Aufspaltung des CSA-VO-Entwurfes in einen wesentlich unstrittigen und einen strittigen Teil an die ESP-RP sowie die JI-Referenten in der RAG übermittelt. Veröffentlichung im Delegates Portal durch die ESP-RP erfolgte erst mit deutlicher Zeitverzögerung am 12.10.2023. Auch diese Forderung konnte bislang keine Mehrheit unter den MS finden.
KOM hat am 11.05.2022 Vorschlag für VO zur wirksameren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern veröffentlicht. Ziel ist die Bekämpfung der Verbreitung von bereits bekannten und neuen Missbrauchsdarstellungen sowie die Verhinderung von Kontaktaufnahmen zu Kindern zu Missbrauchszwecken, sog. „Grooming“ (zusammengefasst: „CSAM“), im digitalen Raum.
- Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
- Datum: 04.03.2024
- Von: Ständige Vertretung EU Brüssel
- An: Auswärtiges Amt
- Kopie: BMI, BMJ, BMWK, BMDV, BMFSFJ, BKAMT, BMF
- Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung am 01.03.2024
- Hier: CSA-VO
- Zweck: Zur Unterrichtung
- Geschäftszeichen: 350.80
Sitzung der RAG Strafverfolgung am 01.03.2024
I. Zusammenfassung und Wertung
Die Sitzung der RAGS befasste sich ausschließlich mit der CSA-VO.
Erörtert wurde der vom Vors. vorgeschlagene neue Ansatz für die Position des Rates. Die Diskussion ergab grundsätzlich viel Unterstützung für die vom Vors. vorgeschlagenen Punkte. Vors. kündigte daraufhin an, konkrete Textvorschläge zu den entsprechenden Artikeln der VO vorzulegen. Man müsse an Kriterien und Parametern arbeiten, um möglichst schnell zu einer allgemeinen Ausrichtung zu kommen.
KOM zeigte sich irritiert über die DEU-Position, sich einerseits der EP-Position annähern zu wollen und diese grundsätzlich als gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen anzusehen, andererseits aber zu fordern, dass der status quo an CSAM-Meldungen gehalten werden müsse und eine Vergrößerung des Dunkelfeldes zu verhindern sei. Dies sei widersprüchlich, weil die EP-Position dazu führen würde, dass sich die CSAM-Meldungen um 80 Prozent verringern würden. Dessen müsse man sich bewusst sein.
Vors. bat darum,
- bis zum 08.03.2024 ergänzende schriftliche Kommentare zu den in Dok. 6850/24 gestellten Fragen zu übermitteln,
- bis zum 15.03.2024 schriftliche Beiträge zu den vorgeschlagenen Kriterien und der Methodologie für die Risikokategorisierung der Diensteanbieter (Dok. WK 3036/2024) zu übersenden.
Vors. kündigte an, dass die nächste Sitzung der RAGS am 19.03.2024 anberaumt werde und größtenteils der Erörterung der CSA-VO dienen solle.
II. Im Einzelnen
Vors. erläuterte, dass der Rat die Frage der Verhältnismäßigkeit der Aufdeckungsanordnungen angehen müsse. Hierzu habe der Vors. neue Ansätze vorgeschlagen. Er nahm insoweit auf Dok. 6850/24 und Dok. WK 3036/24 Bezug. Vors. erläuterte sodann den „verfeinerten“ Ansatz, mit denen die Aufdeckungsanordnungen zielgerichteter gemacht werden sollen und Cybersicherheit und verschlüsselte Daten geschützt werden sollen. Um die divergierenden Auffassungen der MS zu berücksichtigen und zeitnah zu einer allgemeinen Ausrichtung zu gelangen, unterbreitete Vors. die in Dok. WK 3413/2024 im Einzelnen dargestellten Vorschläge.
FRA erklärte, dass der Verhältnismäßigkeit große Bedeutung zuzumessen sei und der Ansatz des Vors. konstruktiv sei. POL, HUN, HRV und ROU sahen den Ansatz des Vors. als grundsätzlich gut an. Ich trug weisungsgemäß vor. PRT machte geltend, dass die Risikokategorien evtl. zweifelhaft seien. Aufdeckungsanordnungen dürften nur von Justizbehörden erlassen werde, unbekanntes Material und Grooming sei auszuschließen. SWE sprach sich gegen eine „allgemeine Filtrierung“ aus, legte einen PV ein und kündigte eine schriftliche Stellungnahme an. IRL zeigte sich dem neuen Ansatz gegenüber aufgeschlossen. Alles sei besser als die Position des EP, man dürfe die Probleme nicht einfach ausklammern.
DNK machte geltend, dass das neue Modell die Effizienz der VO untergraben könne. LVA erklärte, dem neuen Ansatz offen gegenüber zu stehen und legte einen PV zu den technischen Fragen und zur Effizienz ein. AUT, NLD und SVK jeweils mit PVen. ITA und SVN hielten den neuen Ansatz für gut, BGR bezeichnete ihn als ausgewogen. CZE plädierte dafür, freiwillige und obligatorischem Aufdeckungen zu kombinieren. ESP begrüßte die vom Vors. vorgelegten Dokumente und wies auf das „Damoklesschwert des 03.04.2026“ (Auslaufen der verlängerten Interims-VO) hin. FIN plädierte für innovative Vorschläge und sah die Dokumente des Vors. als gut an, legte aber auch einen PV ein. Auf gleicher Linie äußerte sich MLT und hob hervor, dass eine Aufdeckungsanordnung immer nur ultima ratio sein dürfe. EST wies auf seinen Vorschlag zum Umgang mit Verschlüsselung hin. KOM betonte die Rolle des EU-Zentrums bei der Risikoeinschätzung.
JD Rat sah die Prüfung des neuen Ansatzes als schwierig an. Bislang lägen nur Konzepte, aber kein konkreter Text vor. In Bezug auf Verschlüsselung wies JD Rat auf das Urteil des EGMR vom 13.02.2024 (PODCHASOV v. RUSSIA) hin.
Vors. bat MS sodann um Stellungnahme zu den in Dok. 6850/24 gestellten Fragen. Die Diskussion ergab folgendes Meinungsbild:
Frage 1: Entwicklung einer Risikokategorisierung
Zustimmung seitens NLD („klingt logisch“), CZE, ITA, ESP, SVK, ROU, GRC, HRV und FIN. Ich trug weisungsgemäß vor. EST stimmte grundsätzlich zu, warf aber die Frage auf, wer die Kategorien entwickele. PRT teilte das Ziel, kündigte aber eigene Vorschläge für Parameter an. POL mit PV, insbesondere wegen eventueller Belastungen für kleinere Diensteanbieter. DNK machte Bedenken geltend, dass der Ansatz die Verantwortlichkeit der Behörden noch schwieriger mache. SWE zeigte sich offen, aber PV wegen hohen Verwaltungsaufwands. HUN betonte, dass die Durchsetzbarkeit wichtig sei.
Vors. schlussfolgerte, dass es eine klare Unterstützung für seinen Vorschlag gebe.
Frage 2: Verknüpfung mit Aufdeckungsanordnungen
CZE, PRT, ITA, HUN, BGR, HRV, FIN und GRC stimmten grundsätzlich zu. FRA erklärte, „eher für“ den Vorschlag zu sein. Ich trug weisungsgemäß vor. EST machte geltend, dass die Bewertung von den Kriterien abhänge.
Vors. schlussfolgerte, dass es klare Unterstützung für seinen Vorschlag gebe.
Frage 3: Zwei verschiedenen Arten von Aufdeckungsanordnungen
ESP stimmte zu. NLD hielt den Ansatz für interessant. FRA erklärte, „eher für“ den Vorschlag zu sein. Ich trug weisungsgemäß vor. CZE hielt den Ansatz für unnötig. Skeptisch zeigten sich PRT, ROU, CYP und HUN, die u.a. auf mögliche Umsetzungsschwierigkeiten hinwiesen. EST machte geltend, dass man das konkrete Modell kennen müsse.
Vors. schlussfolgerte, dass es unterschiedliche Meinungen und keine ausreichende Unterstützung gebe.
Frage 4: Bitte von Diensteanbietern nach Aufdeckungsanordnung
ITA, CZE, ESP, IRL, HRV, BGR, DNK und CYP stimmten zu. Ich trug weisungsgemäß vor und bat JD Rat um Bewertung (ebenso HUN). EST sah noch viele Fragen. BGR und SVN mit PV, POL mit positivem PV. IRL und FRA plädierten dafür, auch allgemein freiwillige Maßnahmen zuzulassen (allerdings unklar, was damit konkret gemeint ist). ESP und FRA warnten davor, dass die Bitte eines Diensteanbieters nach einer Aufdeckungsanordnung nicht dessen Pflicht zu Risikominimierungsmaßnahmen ersetzen könne.
JD Rat sah den Vorschlag als grundsätzlich zulässigen Weg an. Die Bitte eines Diensteanbieters habe rechtlich keine Bindungs- oder Indizwirkung, könne aber eine Beschleunigung des Verfahrens bewirken.
Vors. schlussfolgerte, dass einige MS einen Mehrwert erkennen, es aber noch viele offene Fragen gebe.
Frage 5: Aufdeckungsanordnungen in E2EE-Diensten
SWE, ITA, CYP, IRL, DNK, NLD, HRV, BGR, GRC, HUN und ROU unterstützen den Vorschlag. ESP forderte, dass E2EE-Daten im Anwendungsbereich der VO bleiben müssten. CZE mit PV. PRT stimmte zu, forderte aber, CSS auszunehmen. Ich bat Vors. um nähere Erläuterung des Vorschlags und trug weisungsgemäß vor. Vors. erklärte, dass die Fragestellung die Bedingung enthalte, dass eine Aufdeckungsanordnung keine Verpflichtung eines Diensteanbieters zur Schaffung eines Zugangs zu E2EE-Daten begründe. Außer CSS gebe es aber auch noch andere vor- oder nachgelagerte Technologien, die angewendet werden könnten. FIN bat hierzu um nähere Informationen, Vors. sagte diese zu. FRA verwies auf seine bekannte Position.
Vors. schlussfolgerte, dass es breite Unterstützung gebe. Nur DEU und FRA hätten sich ablehnend geäußert. Er werde aber seinen Vorschlag noch klarer formulieren.
Frage 6: Weitere Garantien zum Schutz der Cybersicherheit
Zustimmung seitens FRA, CZE, EST, ESP, DEU, POL, ROU, NLD, HRV und BGR. HUN stimmte grundsätzlich zu, sah aber gewisse (nicht näher spezifizierte) Bedenken im Hinblick auf die nationale Sicherheit. KOM plädierte dafür, den Grundsatz der Technologieneutralität zu wahren. JD Rat forderte, dass Regelungen in der CSA-VO mit der NIS2-RL und der DSGVO kohärent sein müssten.
Vors. schlussfolgerte, dass es allgemeine Unterstützung gebe und forderte MS auf, ggf. konkrete Formulierungsvorschläge zu einzelnen Aspekten übermitteln.
Frage 7: Weitere Anmerkungen
Ich trug unsere ergänzenden Anmerkungen weisungsgemäß vor. IRL wies darauf hin, dass dem EU-Zentrum eine wichtige Rolle bei der Risikobewertung zukomme.
- Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
- Datum: 04.03.2024
- Von: Ständige Vertretung EU Brüssel
- An: Auswärtiges Amt
- Kopie: BMI, BMJ, BMWK, BMDV, BMFSFJ, BKAMT, BMF
- Betreff: JI-Rat (Innenteil) am 04.03.2024
- Hier: TOP 8 – Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
- Zweck: Zur Unterrichtung
- Geschäftszeichen: 350.80
JI-Rat (Innenteil) am 04.03.2024
I. Zusammenfassung und Wertung
Vors. berichtete kurz über den Sachstand der Rechtsakte zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (Interims-VO, CSA-VO, CSA-RL).
Zur Verlängerung der Interims-VO sei im Februar 2024 eine politische Einigung erzielt worden. Damit hätten Onlinedienste-Anbieter Rechtssicherheit, dass sie bis zum 03.04.2026 weiterhin freiwillig Missbrauchsmaterial suchen und melden dürfen. Allerdings könne die Interims-VO keine dauerhafte Lösung in Form einer CSA-VO ersetzen. Vors. strebe an, bis Ende Juni 2024 eine allgemeine Ausrichtung zur CSA-VO zu erreichen. Hierzu habe er einen neuen Ansatz für die Aufdeckungsanordnungen vorgeschlagen, der diese zielgerichteter machen solle. Dieser neue Ansatz sei bereits am 01.03.2024 in der RAG Strafverfolgung erörtert worden.
Vors. wies darauf hin, dass KOM am 06.02.2024 einen Vorschlag zur Neufassung der CSA-RL (strafrechtliches Instrument) vorgelegt habe. Dessen Prüfung in der zuständigen RAG werde alsbald beginnen.
KOM (Kommissarin Johansson) dankte Vors. für sein Engagement beim Kinderschutz. Die Verlängerung der Interims-VO sei positiv, aber keine Dauerlösung. Ein Großteil des Missbrauchsmaterials, das früher im Darknet kursiert habe, werde heutzutage in verschlüsselter Kommunikation ausgetauscht. GBR habe vor kurzem ein Gesetz (UK Online Safety Act) erlassen, die der von der KOM vorgeschlagenen CSA-VO ähnele. Auch AUS und USA seien der EU gesetzgeberisch weit voraus. Die EU dürfe kein sicherer Hafen für Pädophile werden.
Johansson führte aus, dass der KOM-Vorschlag zur Neufassung der CSA-RL der Aktualisierung strafrechtlicher Vorschriften diene. Unter anderem solle der Besitz und Austausch von Handbüchern für Pädophile strafbewehrt sein. Man wolle auch die Verjährungsfristen ändern. Diese dürften nicht zu kurz sein, da Missbrauchsopfer sich bekanntlich häufig erst im Erwachsenenalter zu Strafanzeigen durchringen könnten und die Täter oft weiterhin aktiv seien. Darüber hinaus sollten alle Erwachsene, die mit Kindern arbeiten, auf etwaige strafrechtliche Verurteilungen wegen Kindesmissbrauchs überprüft werden.
IRL und DNK dankten KOM für ihre Arbeit und beglückwünschten Vors. zur Verlängerung der Interims-VO. Diese stelle aber keine Dauerlösung dar. Ein wirksamer Kinderschutz setze voraus, dass man auch gegen Missbrauchsmaterial vorgehen könne, das in Ende-zu-Ende verschlüsselter Kommunikation enthalten sei.
Vors. forderte, die beschränkte Zeit der Verlängerung der Interims-VO zu nutzen, um eine dauerhafte CSA-VO zu erreichen. Hierfür benötige man einen soliden Ratsstandpunkt.
II. Im Einzelnen
Entfällt.
Es müsste doch seit den neusten Vorfall bei der Bundeswehr klar sein das jede Schwächung von Verschlüsslungen oder das offenhalten von Sicherheitslücken ein Risiko für alle sind. Wann begreifen die Politik das dass Ziel solcher Maßnahmen sich nicht abgrenzen lässt. Der Preis der für dieses Vorhaben zu zahlen wäre ist Gesellschaftlich und für die Sicherheit der Ländern viel zu hoch.
„Alles sei besser als die Position des EU-Parlaments“
Anders ausgedrückt: Alles ist besser, als ein Vorschlag der
-versucht, Schaden der Bürger zu begrenzen (Ablehnung von CSS und Schutz von Verschlüsselung)
-nicht alle ihre Sicherheit und Privatsphäre auf einen Schlag auslöscht
– Kinder und Jugendliche wegen ihres Alters möglichst nicht diskriminieren soll (Ausweis-
pflichten + AppStore-Sperre) und im schlimmsten Fall Identitätsdiebstähle verhindern soll
– Den überfälligen Ansatz „Löschen statt Sperren“ verfolgt
Noch deutlicher können die Leute von Kommission und Rat ihre Verachtung gegenüber den Bürgern bzw Grund- und Bürgerrechten nicht zum Ausdruck bringen…
Einfach noch hochgradig ekelhaft
Die Chatkontrolle ist wieder zum Thema geworden.
Jetzt versuchen sie wieder irgendwelche „Korrekturen“ zur „Besserung“ spruchreif zu machen, die letzendlich absolut keinen Unterschied machen und hoffen so, eine Mehrheit zu gewinnen.
Aktuell scheint es erschreckenderweise, als hätten sie Erfolg mit diesen Lügen und könnten auch die Staaten der Sperrminorität um den Finger wickeln
Quellen:
https://www.heise.de/news/Ueberwachung-EU-Staaten-wollen-die-Chatkontrolle-doch-noch-spruchreif-machen-9662549.html
und
https://tarnkappe.info/artikel/netzpolitik/eu-regierungen-wollen-chatkontrolle-doch-noch-durchdruecken-290999.html